Samstag, 9. Juni 2018

Gibt es überhaupt „Gerechtigkeit“ in einer „Leistungsgesellschaft“?

RETROSPEKTIVE - 2017-08-27

von Christian Sadil:
„Leistungsträger“ empfinden es oft als ungerecht, wenn Menschen, die (noch) nichts in die Sozialtöpfe eingezahlt haben, Sozialleistungen erhalten. 
Dieses Bild, das (speziell von neoliberal motivierten Parteien) gerne für das Befeuern von Hass- und Neiddebatten zwischen unterprivilegierten Gruppen gezeichnet wird, wirft eine Menge von Fragen auf, mit denen wir uns hier diskursiv befassen möchten:

z.B.:
Müssen wir Arbeit UND Einkommen fair-teilen? Und was passiert mit jenen, die keine Arbeit finden … oder gar nicht arbeiten wollen?

z.B.:
Was passiert dann mit jenen, die gar keine (anerkannte) Leistung erbringen können?

z.B.:
Wie sollten dabei „leistungslose“ Einkommen bewertet werden?
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Meiner Meinung nach muss man zunächst den Begriff „Leistung“ definieren.
Im aktuellen Mainstream ist dieser Begriff verbunden mit „Nutzen für die Wirtschaft“ und bedingungslose Unterwerfung im herrschenden System. Das zeigt sich daran, dass viele unbezahlte Arbeit – Stichworte Familie, Kinder, Pflege – im Bruttosozialprodukt keine Erwähnung finden; dass Arbeitszeit, Arbeitsinhalt, nachgefragte Arbeit im wesentlichen vom „System“ – also der herrschenden Klasse – vorgegeben werden und Leute, die hier ausscheren (wollen) als Minimalkonsequenz mit sehr wenig Geld und Gütern ihr leben bestreiten müssen.
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Da alle Menschen gleich an „Würde und Rechten …..sind“, darf dieser neoliberale Leistungsbegriff keine Kategorie von Gerechtigkeit sein.
Allerdings kann „Gerechtigkeit“ wohl immer nur im Zusammenhang des jeweils aktuellen oder wünschenswerten Gesellschaftssystems definiert werden. Wenn wir also nicht in Leistungskategorien bewertet werden wollen, müssen wir uns von der Leistungsgesellschaft verabschieden.
Liebe Grüße, Thomas
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Lieber Thomas, zum Begriff „Leistung“ :
Bezogen auf den Menschen versteht man unter Leistung das Ergebnis bewußter zielgerichteter Kraftanstrengung.
In der Gegenwart gibt es vier Alternativen zum Leistungsprinzip:
die Verteilung gemäß
– den Bedürfnissen (Sozialprinzip)
– der Geburt (Abstammung, Geschlecht)
– dem Alter (Anciennitätsprinzip)
– der politischen oder ideologischen Übereinstimmung.
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In den Leistungsgesellschaften gilt der leistungs- und erfolgsorientierte Mensch als Vorbild. Beruf , materielles Einkommen und Prestige erscheinen als Ergebnis individueller Leistung.
Angesichts der ungleichen individuellen Start und Lebenschancen wird dieses Verständnis von Leistungsgesellschaft vielfach als Leistungsideologie abgewiesen, d.h. als ein falsches Bewußtsein, welches der Verschleierung und Verfestigung von Ungleichheiten dient !
Lexikon des Sozialismus
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Kritikern des Leistungsprinzips zur Folge sind die der Bewertung zugrunde liegenden Normen in zeitlicher und sozialer Hinsicht kulturell variabel und erlauben keine faire Messung von Leistung.
Wörterbuch zur Politik
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Bei einer Bereicherung heißt Leistung jede auf bewusste und zweckgerichtete Vermehrung des Vermögens gerichtete Zuwendung.
Duden Recht A-Z. Fachlexikon für Studium, Ausbildung und Beruf.
Georg

Kapitalismus; Privatisierung öffentlicher Güter und Korruption

Am 15.9.2008 kollabierte mit der Investmentbank Lehman Brothers zugleich die letzte Großideologie des 20.Jahrhunderts: Der Neoliberalismus. In den zwei Jahren vor der Finanzkrise hatten die Manager von Lehman allein an Bonuszahlungen acht Milliarden US-Dollar kassiert –Belohnungen für jene „Finanzprodukte“, die in die Pleite führten, oder Schweigegeld?
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Heute werden die Billionenverluste der Finanzwirtschaft sozialisiert (d.h. den Staaten und damit den Bürgern aufgehalst), die Profite aber bleiben privatisiert. Wie –außer durch Korruption– lässt sich erklären, dass Medien und Politik dies alles propagierten und legalisierten?
Enron, ComRoad, Andersen alias Accenture, Flowtex, Bertelsmann, Blackwater –die Machenschaften großer Firmen müssen heute auch aus kriminologischer Sicht analysiert werden. Die Privatisierung der öffentlichen Güter vom Wasser bis zur Bildung, selbst des Militärs, bedrohen uns weiterhin.


Die Auswirkungen der Privatisierung auf die Gestaltung des öffentlichen Raums und daher auch auf die Rahmenbedingungen menschlicher Sicherheit sind weitreichend.
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Menschliche Sicherheit bedeutet Freiheit von Furcht und Freiheit von Mangel („freedom from fear“ and „freedom from want“; UNDP 1994 ), die alltäglichen Bedrohungen durch Krankheiten, Hunger, Arbeitslosigkeit, Verbrechen, soziale Konflikte, politische Repression und Umweltschäden sollen ein Ende haben.
Die Bereiche, in denen menschliche Sicherheit zu Beginn des 21. Jahrhunderts bedroht ist, können unschwer identifiziert werden. Es sind die Umweltsicherheit im Sinne der Verfügbarkeit lebenswichtiger Ressourcen wie sauberer Luft, fruchtbarer Böden und sauberen Wassers. Damit ist eng die Ernährungssicherung verbunden, und zwar sowohl im Sinne von „food security“ als auch im Sinne von „food safety“.
Doch als Folge eines weltweiten Verdrängungswettbewerbs steigt die Arbeitslosigkeit und es wächst die Arbeit im Schattenreich der Informalität.
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Zusätzlich werden nun auch öffentliche Güter wie zB. Wissen, Wasser, Straßen, Opern, Strände, Bergkulissen, die öffentliche Sicherheit und die Feuerwehr zum Ziel renditesuchender Kapitalanleger. Und wie unrentable Immobilien durch steuerliche Regelungen privaten Anlegern hohe Profite gebracht haben, so können auch öffentliche Güter zur Erzeugung von Renditen genutzt werden!
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Was wäre nun bei einer Privatisierung öffentlicher Güter zu berücksichtigen:

o Die Folgen für die Marktstrukturen; wird das öffentliche lediglich durch ein privates Monopol ersetzt?

o Die Folgen für Effizienz und Produktivität der privatisierten Einrichtungen; kommt die erwartete Steigerung zustande?

o Die Wirkungen auf die Beschäftigten, und zwar sowohl im Hinblick auf die Zahl der Beschäftigten als auch auf die Qualität der Arbeit, die Sicherheit der Arbeitsplätze etc.;

o Die Folgen für Kosten und Preise, die die Nutzer der nun privatisierten Güter und Dienstleistungen zu bezahlen haben;

o Die Konsequenzen für die Versorgungssicherheit, d.h. auch für Umwelt und Gesundheit;

o Die Wirkungen im globalen Rahmen, insbesondere in bezug auf EU-Regeln und GATS-Verhandlungen.


Doch in aller Regel ist bei Privatisierung öffentlicher Einrichtungen und Güter auch Korruption im Spiel.
Korruption kennt viele Dimensionen.
Sie reicht von der kleinen Bestechung von Staatsdienern über die Bestechung im großen Stil von hohen Beamten, ja von Staatspräsidenten und Königshäusern.
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Auch die Kriminalität des Managements privater Unternehmen weist alle Elemente der Korruption auf, nämlich private Bereicherung auf Kosten Dritter, zumeist der Beschäftigten, der Kunden und der Staatskasse, illegales Handeln, Intransparenz.
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Die Schädigung der Allgemeinheit zu Gunsten privater Vermögen ist das Prinzip!

Doch der Kapitalismus ist nicht stabil und krisenfrei. Die Finanzkrisen der vergangenen Jahrzehnte, sind für wachsende Ungleichheit, ja für Armut und Elend in der Welt verantwortlich.
Und eine kapitalistische Gesellschaft ohne Öl versinkt (derzeit immer noch) im Chaos. Im Innern der Gesellschaft reifen jedoch glaubwürdige Alternativen heran (solidarische Ökonomie, ökologisch nachhaltige Gesellschaft).Der Kapitalismus wie wir ihn kennen, gerät an ein Ende!
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Quelle:

Elmar Altvater
– Privatisierung und Korruption: Zur Kriminologie von Globalisierung, Neoliberalismus und Finanzkrise
– Was passiert, wenn öffentliche Güter privatisiert werden?
– Das Ende des Kapitalismus wie wir ihn kennen
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Weitere Informationen siehe auch:
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– Der Ausverkauf der Republik !
http://www.demos.co.at/der-ausverkauf-der-republik/
– Chaos, Fassadendemokratie, tiefer Staat, und …
http://www.demos.co.at/chaos-fassadendemokratie-tiefer-staat-und/
– Globalisierung durch Wandel? Wandel durch Globalisierung?
http://www.demos.co.at/globalisierung-durch-wandel-wandel-durch-globalisierung/
– Korruptionsbekämpfung
http://www.demos.co.at/korruptionsbekaempfung/
– Korruptionsbekämpfung 2
http://www.demos.co.at/korruptionsbekaempfung-2/
– wenn wir jetzt nichts tun …
http://www.demos.co.at/wenn-wir-jetzt-nichts-tun/
– Er macht Mut, dass auch Veränderungen möglich sind.
http://www.demos.co.at/er-macht-mut-dass-auch-veraenderungen-moeglich-sind/
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